Wie schon im ersten Teil dieser Artikelserie beschrieben, muss jeder Kraftsportler sein Training um ein lockeres Dehnprogramm ergänzen. Damit werden muskuläre Dysbalancen vermieden und die schmerzhaften Folgen sowie lang zeitige Trainingsausfälle erspart. Das schafft eine gute Grundlage für langfristiges und gesundes Training mit dem Ziel Muskelaufbau.

Im folgenden werden die unterschiedlichen Methoden des Dehnens erläutert:

1. Statisches Dehnen

Das statische Dehnen ist der Klassiker. Hier wird eine Dehnposition langsam eingenommen und eine gewisse Zeit gehalten. Beim statischen Dehnen wird zwischen aktiv und passiv unterschieden. Beim aktiv-statischen Dehnen wird die Dehnposition aus eigener Kraft gehalten, während beim passiven Dehnen ein Gerät, ein Wiederstand (z.B. Wand) oder eine Person helfen die Dehnposition zu halten.
Im folgenden Video wird die richtige Ausführung anhand einiger Dehnübungen dargestellt:

Durchführung
3 Sätze
Dehnposition 20 bis 30 Sek. halten
Pause zwischen den Sätzen: 10 Sek.

Vorteile des statischen Dehnens:
– kaum Verletzungsgefahr, da die Bewegungen sehr kontrolliert ablaufen
– es wird kein Dehnungsreflex ausgelöst
Nachteile des statischen Dehnens:
– keine Durchblutungsförderung, daher nicht zum Aufwärmen geeignet
– keine Durchblutungsförderung, daher nach dem Krafttraining nicht empfohlen
– Unnatürliche Belastung des Kapsel-Bandapparates durch das lange Halten der Dehnposition
– Vor einer sportlichen Betätigung wirkt statisches Dehnen Leistungsmindernd und sollte daher nicht vor einem Wettbewerb durchgeführt werden

2. Dynamische Dehnen

Auch das dynamische Dehnen ist eine sehr bekannte Dehnmethode. Beim dynamischen Dehnen wird die Dehnposition durch kontrollierte, federnde Bewegungen eingenommen und gleich wieder verlassen. Die Bewegungen werden dabei langsam und gleichmäßig durchgeführt. Kein ruckartiges Schwingen!
Es wird zwischen ballistischem (explosivem) und geführtem Dehnen unterschieden. Beim ballistischen Dehnen wird die Trägheit der Bewegung genutzt um die Dehnübung auszuführen. Diese Methode ist etwas gefährlich, was Verletzungsrisiko angeht und sollte daher vermieden werden. Besser ist das geführte dynamische Dehnen. Hier wird die Dehnposition entweder durch eigene Kraft oder mit Hilfe eines Wiederstandes oder Gerätes eingenommen. Anschließend werden sanfte federnde Bewegungen ausgeführt. Somit erfolgen die Bewegungen viel kontrollierter und das Verletzungsrisiko wird auf das Minimum reduziert.
Korrekte Ausführung siehe Video:

Durchführung
3 Sätze
10 bis 15 Wiederholungen
Pause zwischen den Sätzen: 10 Sek.

Vorteile des dynamischen Dehnens:
– Schulung der inter- und intramuskulären Koordination durch die Bewegungen
– Förderung der lokalen Durchblutung der Muskulatur, daher auch als Aufwärmmethode geeignet
– manche Übungen müssen mit Schwung ausgeführt werden, da bei statischer Ausführung nicht ausreichend Kraft aufgewendet werden kann um einen Dehnreiz zu erzeugen
Nachteile des dynamischen Dehnens:
– kurze Reizdauer, da die Dehnendposition nur kurz erreicht wird
– Auslösung eines Dehnungsreflexes, bei dem eine Anspannung des gedehnten Muskels reflexartig erfolgt. Das kann das Erreichen der Endposition verhindern

3. PNF-Methoden

Die PNF-Methoden (Proprieozeptive neuromuskuläre Fazilitation) kombinieren das statische Dehnen mit gezieltem Anspannen des gedehnten Muskels bzw. seines Gegenspielers. Dadurch soll die Effektivität der Dehnübungen steigern. Wissenschaftlich konnten die Vorzüge der PNF-Methoden nicht eindeutig bestätigt werden.

AC-Stretching (Antagonist-Contract):
Beim AC-Stretching wird während der Dehnung der Antagonist (Gegenspieler des gedehnten Muskels) angespannt. Das führt zur Vertiefung der Dehnposition.

CR-Stretching (Contract-Relax):
Vor dem Dehnen wird der Zielmuskel maximal angespannt und danach kurz entspannt. Anschließend folgt gewöhnliches statisches Dehnen des Muskels. Dadurch soll der Dehnungsreflex des Muskels beim Dehnen gehemmt werden.

CR-AC-Stretching
Kombination aus CR- und AC-Stretching

Fazit

Das Dehnen kann entweder direkt im Anschluss an das Krafttraining erfolgen oder an trainingsfreien Tagen als eigenständige Trainingseinheit durchgeführt werden. Wenn das Dehnen direkt nach dem Krafttraining erfolgt, kommt nur das dynamische Dehnen in Frage. Beim statischen Dehnen kann es zu einer Behinderung der Durchblutung kommen, was die Versorgung der Muskeln mit Nährstoffen negativ beeinträchtigt. Zum Zeitpunkt nach dem Training wäre es unvorteilhaft für den Muskelaufbau.
An trainingsfreien Tagen kann hingegen beliebige Dehnungsmethode angewendet werden.

Hinsichtlich Effektivität der unterschiedlichen Dehnmethoden kann keine Aussage getroffen werden, da die Ergebnisse zahlreicher Studien widersprüchliche Ergebnisse liefern. Fest steht aber, dass alle diese Methoden ihren Zweck erfüllen. Für einen Kraftsportler ist es also unerheblich für welche Dehnmethode er sich entscheidet oder ob er mehrere miteinander kombiniert. Wichtig ist, dass er regelmäßig dem Dehnen seine Zeit widmet.

Weitere Artikel zum Dehnen:

  1. Max sagt:

    Hallo Paul,

    vielen Dank für deine Erfahrung. Wie im Teil 1 beschrieben, kommt es natürlich darauf an wie du dehnst. Hast du die Erfahrung mit statischem oder dynamischem Dehnen gemacht? Hast du das Dehnen locker oder eher intensiv gemacht?

    Würde mich freuen, wenn du deine Erfahrung nährer erläuterst.
    Grüße
    Max

  2. Rafael sagt:

    Gibts noch dynamische Dehnübungen für Arm, Rücken, Bauch und Nackenmuskulatur? Im Video ist der fokus ja mehr auf die Beinmuskulatur gesetzt. Danke