Wenn es um Muskelaufbau geht, wird das Dehnen oft vernachlässigt. Das liegt wohl daran, dass das Dehnen nicht unmittelbar zum Erreichen des Ziels „Muskelaufbau“ führt, sondern nur als vorbeugende Maßnahme dient. So wird es beispielsweise zur Vermeidung von Verletzungen und Muskelverkürzungen, zur besseren Körperhaltung und zum Ausgleich muskulärer Dysbalanzen, sowie zum besseren Wohlbefinden und zur Entspannung durchgeführt.

Oder vielleicht doch nicht? – Ist das Dehnen wirklich so wichtig?

Wer das Thema schon mal im Internet recherchiert hat, weiß, dass es sehr viele kontroverse Meinungen gibt, was das Dehnen angeht. Manche empfehlen das Dehnen vor dem Training, nach dem Training und zwischen den Sätzen soll es auch nicht schaden. Das Dehnen soll Muskelverkürzungen verhindern, vor Verletzungen schützen und die Regeneration fördern. Andere behaupten wiederum, dass die Muskeln sich nicht verkürzen können, dass das Dehnen die Regeneration nicht fördert sondern eher verlängert und dass das Dehnen sogar Verletzungen herbeiführen kann.

Dehnen: Endlich Klarheit

Es stellt sich nun die Frage, welche Aussagen richtig sind und wer Recht hat. Die Antwort darauf ist verblüffend einfach: Alle Aussagen sind richtig!

Es kommt nämlich darauf an, wie gedehnt wird und was man damit erreichen möchte. Wichtig ist zu unterscheiden, ob das Dehnen nur sehr leicht und schonend durchgeführt wird, oder ob die Muskeln und Sehnen mit Gewalt gestretcht werden.

Fördert das Dehnen die Regeneration?


      

Nein: Beim exzessiven Dehnen kommt es zu kleinen Rissen in den Muskelfasern und es führt sogar zusätzlich zum Muskelkater. Die Regenerationszeit wird dadurch verlängert. Ein weiterer Effekt der beim statischen Dehnen auftritt ist, dass die Blutversorgung der Muskeln behindert wird. Somit werden der Abtransport von Abfallstoffen und die Versorgung der Muskeln mit Nährstoffen eingeschränkt.

Ja: Nach dem Training wird der Muskeltonus erhöht und die Muskeln stehen unter Spannung. Das ist kein guter Zustand für die Regeneration. Führt man ein lockeres Dehnen nach dem Krafttraining aus, wird die innere Spannung in den Muskeln herabgesetzt und die Regeneration läuft effektiver ab. Ein lockeres dynamisches Dehnen sorgt für bessere Durchblutung. Auch die mentale Entspannung fördert eine Aktivierung regenerativer Prozesse, indem der Körper vom „Leistungsmodus“ in den „Entspannungsmodus“ umgeschaltet wird.

Beugt das Dehnen Verletzungen vor? oder schadet es mehr?

Es kommt auf die Sportart und auf die Art des Dehnens an. Vor einem Krafttraining mit schweren Gewichten sollte auf keinen Fall gedehnt werden, da es die Verletzungsgefahr beim Training steigert. Hintergrund ist, dass bei der Ausführung einer Bewegung die Bewegungsgrenze durch Rezeptoren erkannt wird. Diese lösen einen Reflex aus, der die Muskeln anspannt und somit weitere Bewegung verhindert. Das ist eine natürliche Schutzfunktion um eine Überdehnung der Sehnen zu verhindern. Durch das Dehnen werden die Bewegungsgrenzen erweitert und die Schutzfunktion wird reduziert.

Bei Sportarten mit hohem Anspruch an Beweglichkeit, ist das Dehnen vor dem Training hingegen wichtig. So wird beispielsweise beim Weitwurf eine erhöhte Beweglichkeit im Schultergelenk gebraucht um den Wurf mit richtiger Technik ausführen zu können und sich dabei nicht zu verletzen.

Steigert das Dehnen die Leistungsfähigkeit?

Das statische Stretching mit einer Haltung der Dehnposition weit über 10 Sekunden reduziert die Schnellkraft. Auch vor einem Langstreckenlauf ist das Stretching eher kontraproduktiv, was auch in Studien bewiesen wurde. Ein leichtes dynamisches Dehnen, verbessert hingegen die Durchblutung und wirkt sich somit positiv auf die darauf folgende Leistungsfähigkeit.

Muskuläre Dysbalance

Im Sport wird die Muskulatur in zwei Gruppen unterteilt: tonisch und phasisch. Die tonische Muskulatur neigt zur Verkürzung, die phasische zur Abschwächung.

      

Tonische Muskulatur:
– Kapuzenmuskel
– Brustmuskel
– Bizeps
– Unterarmbeuger
– Schenkelbindenspanner
– gerader Oberschenkelmuskel
– kurzer, langer und großer Schenkelanzieher
– Äußerer Oberschenkelmuskel
– Rückenstrecker der Halswirbelsäule
– Schulterblattheber
– Rückenstrecker der Lendenwirbelsäule
– Schlanker Oberschenkelmuskel
– Plattsehnenmuskel
– Halbsehnenmuskel
– Zweiköpfiger Oberschenkelmuskel
– Zwillingswadenmuskel
– Schollenmuskel

Phasische Muskulatur:
– Bauchmuskeln
– Innerer Oberschenkelmuskel
– vorderer Schienbeinmuskel
– Wadenbeinmuskel
– Kapuzenmuskel quer und aufsteigender Teil
– Rückenstrecker der Brustwirbelsäule
– Rautenmuskeln
– Trizeps
– Gesäßmuskeln

(Quelle: Sportanatomie*)

Nach dem Krafttraining reagiert die tonische Muskulatur mit einer Tonuserhöhung. Diese Muskeln stehen dann unter Spannung und verkürzen sich entsprechend. Das führt zu einem Ungleichgewicht. Die Folgen sind Fehlhaltungen, Fehlbelastungen der Gelenke und der Wirbelsäule, erhöhte Belastungen der Sehnen, Verspannungen.
Durch Dehnen der tonischen und Kräftigen der phasischen Muskeln, werden muskuläre Dysbalancen vorgebeugt und eine aufrechte und gesunde Körperhaltung wird gefördert.

So dehnst du richtig

Ein lockeres dynamisches Dehnen nach dem Krafttraining ist optimal. Alternativ kann auch an trainingsfreihen Tagen ein Dehnprogramm durchgeführt werden.


So geht`s weiter

Dehnen beim Muskelaufbau – Teil 2: Dehnungsmethoden
Im zweiten Teil erfährst du mehr über die unterschiedlichen Dehnungsmethoden.

Dehnen beim Muskelaufbau – Teil 3: Dehnübungen
Nach trockener Theorie geht es im dritten Teil endlich mit konkreten Dehnübungen weiter.

  1. Cordula sagt:

    …Hey, da tut sich ja was! 🙂

    Und wie versprochen wird es ein sehr gründlicher, guter Artikel, da hat sich das warten gelohnt! 😉

    Danke und liebe Grüße,
    Cordula

    • Max sagt:

      Hallo Cordula,

      freut mich, dass du dich wieder mal meldest. Wie du siehst lohnt es sich dran zu bleiben.
      Wie versprochen versuche ich den Leserwünschen nach zu gehen, wobei es zugegebenermaßen nicht leicht fällt bei so tollem Wetter. Aber das ist ja verbesserungsfähig :-).

      Grüße
      Max

  2. Patrick sagt:

    Danke für desen sehr informativen und lehrreichen artikel.
    Werde deine seite öfter aufsuchen
    Danke mach weiter so und grüsse